Genderspezifische Problematiken der Diagnose

Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei ADHS-Diagnosen im Erwachsenenalter sind ein wichtiges und oft übersehenes Thema. 

 

 

Unterdiagnose bei Frauen

 

Frauen werden deutlich seltener mit ADHS diagnostiziert, obwohl die tatsächliche Prävalenz wahrscheinlich ähnlich ist wie bei Männern. Dies liegt daran, dass ADHS-Kriterien historisch hauptsächlich anhand von Jungen entwickelt wurden, wodurch typisch weibliche Symptomausprägungen übersehen werden.

 

 

Unterschiedliche Symptompräsentation

 

Bei Frauen häufiger:

  • Unaufmerksamkeitstyp (weniger hyperaktiv-impulsiv)
  • Internalisierte Symptome wie Tagträumen, Grübeln
  • Emotionale Dysregulation und Stimmungsschwankungen
  • Desorganisation im Alltag
  • Perfektionismus als Kompensationsstrategie

 

Bei Männern häufiger:

  • Hyperaktiv-impulsiver Typ
  • Externalisierte Symptome wie Störverhalten
  • Risikoverhalten und Substanzmissbrauch
  • Offensichtlichere Aufmerksamkeitsprobleme

 

 

Hormonelle Einflüsse

 

Frauen erleben oft Symptomverschlechterungen während:

  • Menstruation
  • Schwangerschaft
  • Menopause

Diese hormonellen Schwankungen können ADHS-Symptome verstärken oder erstmals deutlich machen, weshalb viele Frauen erst im Erwachsenenalter diagnostiziert werden.

 

 

Masking und Kompensation

 

Frauen entwickeln oft ausgeprägtere Bewältigungsstrategien ("Masking"), um ihre Symptome zu verbergen. Sie fallen daher weniger auf, leiden aber unter hohem inneren Stress und Erschöpfung.

 

 

Komorbiditäten

 

Frauen mit ADHS haben häufiger:

  • Angststörungen
  • Depressionen
  • Essstörungen
  • Autoimmunerkrankungen

 

Männer zeigen eher:

  • Substanzmissbrauch
  • Antisoziales Verhalten
  • Schlafstörungen

 

 

Auswirkungen auf die Spätdiagnose

 

Viele Frauen erhalten ihre ADHS-Diagnose erst, wenn ihre Kinder diagnostiziert werden und sie Ähnlichkeiten erkennen. Die späte Diagnose kann zu jahrelangem Selbstzweifel und inadäquaten Behandlungen geführt haben.

Die Sensibilität für geschlechtsspezifische Unterschiede in der ADHS-Diagnostik wächst, aber es besteht weiterhin Aufholbedarf in der klinischen Praxis.